Ich leite diese Frage mit einer "Binsenweisheit" ein und bitte gleichtzeitig um Entschuldigung dafür:
a) Überschuss: die Einnahmen des Staates sind höher als die Ausgaben
b) Defizit: die Ausgaben des Staates sind höher als die Einnahmen
Das scheint ja auf den ersten Blick sehr einfach zu sein! Ist es aber in der Wirklichkeit nicht! Es sind insgesamt fünf Defizitbegriffe zu erklären, die sich alle voneinander unterscheiden:
(1) Primärdefizit (Primärüberschuss)
(2) Nettofinanzierungsbedarf (Nettofinanzierungsüberschuss)
(3) Nettoergebnis (Nettoaufwand="Verlust"; Nettoertrag="Gewinn")
(4) Strukturelles Defizit (Struktureller Überschuss)
(5) Maastricht Defizit (Maastricht Überschuss)
Aber eines möchte ich festhalten: die eingangs erwähnte "Binsenweisheit" überlagert all diese fünf Begriffe!
Quelle: Bericht des Rechnungshofes über den Bundesrechnungsabschluss 2012, Kurzfassung, Seite 26.
Ich bleibe auch hier unverrückbar bei meiner Philosophie "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!".
Um die Ermittlung des Primärsaldos (zB für das Jahr 2012) zu verstehen, sind daher nur noch folgende wenige Worte notwendig:
Administrativer Saldo (=Einzahlungen minus Auszahlungen) = - 6,949 Milliarden Euro.
Die Veränderung der Rücklagen (Reserven) ist negativ, d.h. es wurden mehr Rücklagen aufgelöst als gebildet. Diese Veränderung in Höhe von 1,567 Milliarden erhöht daher den negativen administrativen Saldo.
Der Zinsaufwand netto im Betrage von 6,615 Milliarden Euro muss wieder dazugezählt werden, weil er ja bereits in den Gesamtausgaben enhalten ist.
Somit errechnet sich das Ergebnis folgendermaßen:
Administrativer Saldo - 6,949 Mrd. €
+ Rücklagenveränderung - 1,567 Mrd. €
Zwischensumme - 8,516 Mrd. €
+ Zinsaufwand netto +6,615 Mrd. €
= Primärdefizit - 1,901 Mrd. €
Das Primärdefizit sagt kurz und bündig folgendes: Selbst die Zinsen für die bestehenden Staatsschulden müssen durch neue Schulden finanziert werden!
Quelle: Tabelle 5a der Exceldatei "gesamtueberblick_tabellen_2013_2" des Bundesministeriums für Finanzen (optisch vom Autor etwas verändert).
Sie erinnern sich:
a) Finanzierungsvoranschlag: - enthält nur Aufwände, die gleichzeitig auch Auszahlungen sind
- enthält nur Erträge, die gleichzeitg auch Einzahlungen sind
b) Ergebnisvoranschlag: enthält sowohl zahlungswirksame als auch nicht zahlungswirksame Aufwände und Erträge!
Das ist der Unterschied, nicht mehr und nicht weniger!
„Mit dem strukturellen Defizit wird der Teil des Gesamtdefizits der öffentlichen Haushalte bestimmt, der dauerhaften Charakter hat, sich also nicht im Laufe eines Konjunkturzyklus selbsttätig abbaut oder durch gesetzlich befristete Maßnahmen begründet ist, und der den mittelfristig als unbedenklich, somit als akzeptabel erscheinenden Umfang staatlicher Kreditfinanzierung überschreitet.
Das strukturelle Defizit entspricht also jenem Teil des Gesamtdefizits, der bei Normalauslastung des Produktionspotentials die dauerhaft akzeptable Neuverschuldung überschreitet“.
Quelle:
http://www.economia48.com/deu/d/strukturelles-defizit/strukturelles-defizit.htm
Quelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Fiscal_Compliance_(deficit)_de.png
Diese Grafik aus dem Internet, die ich zusätzlich mit einer roten Linie versehen habe und von der ich annehme, dass sie richtig ist, weist für Österreich ein strukturelles Budgetdefizit von rund 1,8 % des BIP (Bruttoinlandsprodukt) aus. Das Gesamtdefizit laut den Tabellen des Finanzministeriums beträgt für das Jahr 2013 voraussichtlich 2,3 % des BIP.
Anmerkung: Laut dieser Grafik scheint unser Defizit aber eher bei 2,6 % zu liegen als bei 2,3 %.
Das Bruttoinlandsprodukt für 2013 beträgt laut Finanzministerium und Statistik Austria 316.160 Millionen Euro oder 316,16 Milliarden Euro.
Die einfachen Rechnungen und Erkenntnisse dazu ergeben sich aus der nächsten Grafik!
Ich habe die rote Linie bei 2 % gezogen, daher dürfte das strukturelle Defizit für Österreich bei etwa 1,8 % liegen. Und das wären derzeit rund 5,7 Milliarden Euro. Sollte der neue Herr Finanzminister - wie in der letzten Zeit des öfteren verkündet - ein "strukturelles Nulldefizit" anstreben, so müssten bis 2017 diese 5,7 Milliarden Euro eingespart (oder durch Steuererhöhungen hereingebracht) werden. Das wären rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr.
Laut Finanzministerium beträgt das Gesamtdefizit für 2013 2,3 %. Somit ergibt sich für das konjunkturelle Defizit ein Wert von 0,5 % (2,3 % - 1,8 %).
Genau so hoch wie das konjunkturelle Defizit wäre derzeit auch das zulässige strukturelle Defizit, nämlich 0,5 % von 316,16 Milliarden Euro.
Sollte bis 2017 das strukturelle Nulldefizit tatsächlich erreicht werden, würde aus heutiger Sicht immer noch ein konjunkturelles Defizit von rund 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2017 vorhanden sein!
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Anmerkung des Autors am 22. Jänner 2014:
Das hier angführte BIP für 2013 im Betrage von 316 Mrd. € dürfte um einiges zu hoch angesetzt sein!
Die Deutsche Handelskammer rechnet für Österreich mit einem BIP für 2013 von 314,6 Mrd. Euro.
(Quelle:
ahk.de/fileadmin/ahk_ahk/GTal/oesterreich.pdf)
Die Statistik Austria notifziierte das BIP für 2012 mit 307.004 Millionen Euro. Rechnet man rund 1 % Wachstum dazu, ergibt sich für 2013 ein Betrag von rund 310 Milliarden Euro.
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Quelle: Tabelle 17b der Excel-Datei "gesamtueberblick_tabellen_2013_2" des Bundesministeriums für Finanzen (optisch vom Autor etwas verändert und mit einem Kommentar versehen).
Wie Sie sehen, wird ausgehend vom Finanzierungsvoranschlag (siehe oben Punkt 2 und 3) mit einer Art Mehr-Weniger-Rechnung das Maastricht-Defizit des Bundes ermittelt.
Quelle: Tabelle 18 der Excel-Datei "gesamtueberblick_tabellen_2013_2" des Bundesministeriums für Finanzen (optisch vom Autor etwas verändert).
Das Maastricht-Defizit (genauer: Finanzierungssaldo laut ESVG’95) ist ein Begriff aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und beruht auf dem Konzept der Darstellung der öffentlichen Haushalte im so genannten Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG'95). Ziel ist es, durch ein einheitliches Regelwerk die internationale Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Die Basis für die Berechnung des Maastricht-Defizits bilden der Nettofinanzierungsbedarf bzw. Überschüsse der Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) und der Sozialversicherungsträger. Der Nettofinanzierungsbedarf wird um jene Einzahlungen oder Auszahlungen bereinigt, die ökonomisch keine Verschlechterung/Verbesserung der Haushaltsituation bedeuten. Quelle: http://www.parlament.gv.at/PERK/GL/BUDGET/M.shtml