Zum Einstieg ein wörtliches Zitat aus den Erläuterungen zur VRV 2015 (Besonderer Teil, Seite 21:)
„§ 38 Abs. 3 erklärt den Grundsatz, welcher im Zuge der Erstbewertung und Ersterfassung von Vermögenswerten in der Eröffnungsbilanz zur Anwendung kommt. Unter Beachtung von verwaltungsökonomischen Prinzipien ist diejenige Bewertungsmethode zu wählen, die das verlässlichste Bewertungsergebnis ergibt und als geeignet erscheint. Im Sinne der Verwaltungsökonomie sollen die Kosten der Wertermittlung (z.B. bei der Beschaffung verlässlicher Unterlagen) im verhältnismäßigen Aufwand zum voraussichtlichen Wert der Vermögenswertes stehen. Die folgenden Bestimmungen dienen in diesem Sinne der Verwaltungsökonomie, da auf unterschiedliche, mögliche Unterlagen Bezug genommen werden kann, insbesondere dann, wenn historische Anschaffungskosten nicht mehr oder nur sehr schwer ermittelbar sind. Von der Erstellung neuer Gutachten im Zusammenhang mit der Eröffnungsbilanz soll generell Abstand genommen werden.“
Daraus ist meines Erachtens eindeutig der Wunsch des Gesetzgebers abzuleiten, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der jeweiligen Gemeinde überwiegend autonom und ökonomisch die Bewertungen vornehmen sollen.
Quelle: „Grundsätze und (best-)mögliche Ansätze zur Bewertung des Vermögens von öffentlichen Gebietskörperschaften“; Von Prof. Dr. Holger Mühlenkamp und
Dipl.-Kfm. Andreas Glöckner, Speyer*); PDF-Datei; BFuP, 62 (2010), Heft 5, 18 Seiten, hier Seite 7.
1.1 ANSCHAFFUNGSWERT
Als Grundregel für die Bewertung gilt in Österreich, Deutschland und in anderen Ländern das Anschaffungswertprinzip.
Die Vermögensgegenstände sind in der Eröffnungsbilanz mit dem Anschaffungs- oder Herstellungswert, vermindert um die darauf basierenden Abschreibungen anzusetzen.
Beispiel:
Ein Regenwasserkanal wurde im Frühjahr 1995 laut vorliegender Schlussrechnung vom 14. Mai 1995 für umgerechnet 115.500,-- € errichtet und in Betrieb genommen. Nutzungsdauer 33 Jahre.
Bis zum Bewertungszeitpunkt 31.12.2019 ( =Wert per 01.01.2020) sind dann bereits 24 Jahre der Nutzungsdauer verstrichen. Die Abschreibung beträgt 3.500,-- € p.a., für 24 Jahre daher € 84.000,--.
Dieser Kanal ist mit diesem "fortgeschriebenen Anschaffungswert" im Betrage von € 31.500.-- in die Eröffnungsbilanz per 01.01.2020 aufzunehmen!
(115.500,-- minus 84.000,-- = 31.500,--)
Diese einfache Methode ist sinngemäß für alle abnutzbaren Sachanlagen anzuwenden, für die ein Anschaffungspreis (Herstellungspreis) vorliegt!
1.2 TAGESWERT (synonym Zeitwert, Wiederbeschaffungswert, "Fair Value")
Dazu Mühlenkamp, Glöckner (a.a.O, Seite 8):
„Der Begriff „Fair Value“ (deutsche Übersetzung: „beizulegender Zeitwert“) wird von den internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS bzw. IPSAS verwendet.
Er ist dort als jener Betrag definiert, „zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern ein Vermögenswert getauscht (…) werden könnte“. Es handelt sich also um einen (hypothetischen) Markt- oder Verkehrswert. Diese Wertermittlung mittels einer genau definierten Markttransaktion soll sicherstellen, dass ein möglichst objektiver Wert bestimmt wird („Mark-to-Market“). Der Fair-Value-Konzeption liegt somit im Prinzip das theoretische Konstrukt vollkommener Märkte zugrunde.“
Genug der Theorie! Was sagt die Praxis?
Der Baupreisindex (BPI) erfasst vierteljährlich das Preisniveau von Bauprojekten aus allen Bundesländern und gibt damit Auskunft über die Entwicklung der tatsächlichen Preise, die der Bauherr für die Bauarbeiten bezahlt. Es wird nicht nur die Preisentwicklung der am Bauprozess beteiligten Produktionsfaktoren (wie zB Baustoffe, Kosten für Maschinen, Löhne und Gehälter), sondern implizit auch die Veränderung der Produktivität und der Gewinnspanne des Bauunternehmens berücksichtigt
Wörtliches Zitat von der Webseite der WKO!
Quelle: Statistik-Austriaà
Standard-Dokumentation Metainformationen (Definitionen, Erläuterungen, Methoden, Qualität) zu Baupreise und Baukosten Diese Dokumentation gilt ab Berichtszeitraum: 2011 (mit der Basis 2010) Diese Statistik war Gegenstand eines Feedback-Gesprächs zur Qualität am 31.01.2012 Bearbeitungsstand: 02.03.2012; PDF-Datei, 47 Seiten, hier Seite 6
Wie die Abbildung zeigt, kann man mit einem Baupreisindex indizieren als auch rück-indizieren!
Ich habe die Rückindizierung an Hand der Excel-Tabellen der Statistik Austria selbst vorgenommen. Offiziell gibt es bis dato diese Zahlenreihe nicht!
Wir sehen hier eine Musterkalkulation für ein NORMGEBÄUDE gemäß den deutschen NORMALHERSTELLUNGS-KOSTEN-Richtlinien 2000.
Es handelt sich dabei um die Ermittlung der Eröffnungsbilanzwerte in deutschen Bundesländern:
a) Gruppe NRW und Sachsen-Anhalt
b)Gruppe Saarland und Thüringen
c) Gruppe Niedersachsen und Bayern
Hinweise:
a) Nordrhein-Westfalen hatte Rück-Indizierung nicht zugelassen.
b) Saarland hatte eine eingeschränkte Rück-Indizierung erlaubt.
c) Der Freistaat Bayern und Niedersachsen hatten ihren Kommunen eine uneingeschränkte Rückindizierung eingeräumt.
Die Ergebnisse sehen Sie in der letzten Zeile der Tabelle!
Hinweis zu Brandenburg: In diesem Falle irren die Autoren, weil Brandburg hatte dezidiert mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 (Innenministerium) zum Ausdruck gebracht, dass "bei Anwendung des Sachwertverfahrens die Rückindizierung des auf Grundlage der NHK 2000 ermittelten Gebäudewertes empfohlen wird."
Kurze und bündige Zusammenfassung:
Für ein-und dasselbe Normgebäude mit den ganz gleichen Kerndaten (Anschaffungswert, Anschaffungsjahr, Nutzungsdauer, etc) stehen per 01.01.2007 folgende unterschiedliche Werte in der Eröffnungsbilanz:
a) Gemeinde in NRW: € 3.500.000,--
b) Gemeinde in Saarland: € 2.600.000,--
c) Gemeinde in Bayern: € 666.000,--
Durch die Änderung des fiktiven Anschaffungsdatums auf das Jahr 1980 ändern sich folgende Daten:
- die Baukosten
- die Baunebenkosten
- die Restnutzungsdauer
- die Indices
Ich musste das Jahr 1980 deshalb wählen, weil für eine Rückindizierung vor dem Jahr 1980 keine Daten greifbar waren!
Sind die österreichischen Baupreise wirklich um rund 32% höher als in Deutschland?
(Ich glaube mich tritt ein Pferd!? Ich hoffe daher, im Irrtum zu sein!)
Aufgabe:
Wie hoch ist der Bilanzansatz in Euro in der Eröffnungsbilanz 2016
1) In Nordrhein-Westfalen (keine Rückindizierung)
2) In Bayern (Rückindizierung)
3) In Österreich
a) Ohne Rückindizierung
b) Mit Rückindizierung